Geschichte der Encoder
Encoder sind zentrale Sensoren moderner Industrie- und Automatisierungssysteme. Ihre technischen Ursprünge reichen bis in die 1940er Jahre zurück. Mit der Entwicklung von Elektronik, Optik, Kommunikation und MEMS-Technologie entwickelten sich Encoder von rein mechanischen Winkelumwandlern zu hochpräzisen, intelligenten Messplattformen mit Nanometergenauigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Selbstdiagnosefunktionen.
1940–1960er Jahre: Prototypen und mechanische Ära
- In den 1940er Jahren entwickelten Ingenieure in Deutschland und Großbritannien erste bürstenbasierte Drehumformer, um Winkelpositionen zu messen – motiviert durch Radar- und Luftfahrttechnik.
- 1947 präsentierte Bell Labs (USA) erstmals ein Konzept zur Umwandlung mechanischer Winkel in elektrische Impulse – eine frühe Form von Codierscheiben.
- In den frühen 1950er Jahren erschienen die ersten mechanischen Encoder, basierend auf Kontaktbürsten zur Signalerzeugung bei Drehbewegungen.
- Diese Encoder verwendeten typischerweise den Gray-Code und kamen vor allem in militärischen Entfernungsmessern und analogen Computern zum Einsatz.
Merkmale:
- Reiner mechanischer Kontakt – schnelle Abnutzung, instabile Signale
- Ausgangssignale als Schalterzustände oder analoge Spannung
- Eingeschränkte Anwendung, meist in Forschung und Militär
1970–1980er Jahre: Aufstieg der optischen Encoder und Inkrementaltechnik
- 1971 brachte BEI Precision Instruments (USA) den ersten kommerziellen optischen Inkrementalencoder auf den Markt – ein Meilenstein für die Branche.
- Codierscheiben aus Glas oder Kunststoff mit periodischen Streifen wurden optisch abgetastet und erzeugten A/B-Pulse.
- 1974 integrierte Heidenhain erstmals ein Nullimpuls-Signal (Z-Kanal) in Encoder zur Referenzpunktbestimmung.
- 1976 führte Koyo Electronics (Japan) industrielle Inkrementalgeber ein, was zur Verbreitung in CNC-Maschinen führte.
Innovationen:
- Verschleißfreie, kontaktlose Erfassung
- Standardisierte Schnittstellen wie TTL und HTL
- Auflösungen bis 1000–5000 Impulse pro Umdrehung (PPR)
1990er Jahre: Absolute Encoder und digitale Steuerungen
- Zwischen 1989 und 1992 brachten europäische Hersteller wie Baumer und Heidenhain erste Single-Turn Absolute Encoder auf den Markt – mit Mehrspur-Codierscheiben und parallelem Positionsausgang.
- 1993 entwickelte SICK Stegmann (Deutschland) den Multi-Turn Encoder, der über Zahnräder oder magnetische Sensoren Umdrehungen zählte.
- Das SSI-Protokoll (Synchronous Serial Interface) wurde als serieller Kommunikationsstandard etabliert (Hubner, Deutschland).
- Es entstanden programmierbare Encoder, deren Auflösung und Drehrichtung per Software einstellbar waren.
Technische Durchbrüche:
- Speicherung absoluter Position auch bei Stromausfall
- Integration von ASICs für kompakte Bauweise
- Hohe Zuverlässigkeit und Störsicherheit
2000er Jahre: Feldbus, Ethernet und Systemintegration
- Encoder unterstützten zunehmend Feldbussysteme wie CANopen (CiA 406), Profibus und DeviceNet – ideal für vernetzte Automatisierung.
- Industrial Ethernet-Protokolle wie EtherCAT (Beckhoff), Profinet (Siemens) und EtherNet/IP (Rockwell) wurden zur Norm für Hochgeschwindigkeitskommunikation.
- 2005 führte Tamagawa (Japan) einen Encoder mit SIL2-Zertifizierung ein – für sicherheitskritische Anwendungen wie Roboter, Aufzüge und Züge.
- Funktionen wie Temperaturkompensation, digitale Filterung und Selbstdiagnose wurden integriert – Encoder wurden zu intelligenten Sensoren.
Merkmale dieser Ära:
- Buskommunikation ersetzte analoge Impulsausgänge
- Multi-Turn-Auflösungen über 30 Bit
- Unterstützung für Hot-Plugging, Online-Konfiguration und Firmware-Updates
2010er Jahre bis heute: Smart Encoder, Miniaturisierung und kabellose Kommunikation
- Smart Encoder mit Bluetooth, IO-Link oder industriellem WLAN ermöglichen bidirektionale Kommunikation mit Steuerungen oder Cloud-Plattformen.
- Magnetische Encoder-Kits für Cobot-Anwendungen, AGVs und Drohnen bieten Miniaturformate bis Ø12 mm und <10 g Gewicht.
- Hochauflösende magnetische Lineargeber (z. B. von Renishaw, RSF) erreichen Genauigkeiten im Submikrometer- oder Nanometerbereich – ideal für Halbleiterfertigung.
- Neue Hybrid-Sensoren mit Bildverarbeitung und integrierten IMUs (Inertialsensoren) ermöglichen 6-DOF-Tracking.
Zukünftige Entwicklungen
- Intelligenz & Edge-Computing: Encoder mit integrierter Datenverarbeitung, prädiktiver Wartung und AI-Funktionen.
- Multisensorische Fusion: Integration von Temperatur, Feuchte, IMU, Kraft, Beschleunigung – für umfassendes Bewegungstracking.
- Software-definierte Encoder (SD-E): Fernkonfiguration von Auflösung, Richtung, Protokollen und Diagnostik.
- Energieeffizienz & Nachhaltigkeit: Reibungsarme Materialien, geringerer Stromverbrauch und modulare Designs.
- Lokalisierte Lieferketten: Ausbau regionaler Fertigungskapazitäten für Codierscheiben, ASICs und Kommunikationsprotokolle.
Fazit
Die Entwicklung von Encodern spiegelt den Wandel der Industrie wider – von analog zu digital, von zentralisiert zu intelligent, von geschlossen zu vernetzt. Von militärischen Anfängen bis zur breiten industriellen Nutzung ist jeder Technologiesprung eng mit Fortschritten in Präzisionsmechanik, Automatisierung und Informationsverarbeitung verbunden. Das Verständnis der Encoder-Historie vermittelt nicht nur technisches Know-how, sondern auch Vertrauen in die Zukunft intelligenter Industriesensoren.