Ausführliche Erläuterung der wichtigsten Encoder-Parameter
Um Encoder korrekt zu bewerten und auszuwählen, ist ein tiefes Verständnis der Schlüsselfaktoren erforderlich, die Messgenauigkeit, Geschwindigkeitsbereich, Umweltanpassungsfähigkeit, Lebensdauer usw. beeinflussen. Auf dieser Seite werden die gängigen elektrischen, mechanischen und Umweltparameter verschiedener Encoder-Typen fachkundig und ausführlich erklärt.
1. Auflösung (Resolution)
1.1 Definition und Anzeigeformat
- Inkrementalencoder: Wird meist in PPR (Pulses Per Revolution) oder CPR (Counts Per Revolution) angegeben, z. B. 1000, 2500, 5000 PPR. Bei Vierfach-Abtastung (4×) erreicht die tatsächliche Zählung 4×PPR.
- Absolutencoder: Singleturn-Auflösung wird in Bits angegeben (z. B. 13 Bit = 8192 diskrete Positionen). Multiturn in Form Multiturn-Bits + Singleturn-Bits (z. B. 25 Bit Multiturn).
- Lineare Encoder: Oft mit LPI (Lines Per Inch), CPI (Counts Per Inch) oder „µm/Puls“ angegeben.
1.2 Auflösung und Systemleistung
- Höhere Auflösung ermöglicht feinere Bewegungserfassung, präzisere Positionierungs- und Geschwindigkeitsregelung.
- Zu hohe Auflösung erfordert leistungsfähige Controller und schnelle Prozessoren, sonst drohen Pulsverluste oder Verzögerungen.
- Bei hohen Geschwindigkeiten steigt die Pulsfrequenz; Kabel und Treiber müssen entsprechend dimensioniert sein.
1.3 Zusätzliche Hinweise
- Einige Encoder unterstützen Interpolation, um intern die effektive Auflösung deutlich zu erhöhen.
- Unterscheidung zwischen mechanischer Auflösung (tatsächliche Lineanzahl) und elektronischer Auflösung (nach Interpolation).
2. Genauigkeit (Accuracy)
2.1 Weit- vs. enggefasste Genauigkeit
- Weitgefasste Genauigkeit: Maximaler Fehler zwischen Encoder-Ausgang und tatsächlicher Position, beeinflusst durch Line-Fehler, Montageungenauigkeiten, Lagerspiel usw.
- Enggefasste Genauigkeit: Oft nur Herstellerangabe der Line-Präzision oder Sensorsignalgenauigkeit, ohne Montage- und Lagerfehler.
2.2 Typische Maßeinheiten
- Drehencoder: arcsec (Bogensekunde), arcmin (Bogenminute), Grad (°) oder Prozent der Auflösung.
- Lineare Encoder: µm/m, ppm (Teile pro Million) oder andere Präzisionskennwerte.
2.3 Fehlerquellen
- Line-Herstellungsfehler: Ungleichmäßige Lineabstände, Exzentrizität.
- Sensornichtlinearität: Verzerrung an Übergangskanten.
- Montageungenauigkeiten: Exzentrizität, Lagerspiel, falsche Flanschausrichtung.
- Umwelteinflüsse: Temperaturschwankungen, Vibration, Verschmutzung.
2.4 Genauigkeitsverbesserung und Kompensation
- Einsatz von Line-Wheel mit hohem Fertigungsstandard oder Präzisionsoptik/-magnetik.
- Fehlerkalibrierung mittels Laserinterferometer und Erstellung von Korrekturtabellen.
- Erhöhung der Lagersteifigkeit zur Reduzierung von radialem/axialem Spiel.
3. Wiederholgenauigkeit (Repeatability)
3.1 Konzept
- Bewertet die Konsistenz mehrfacher Messungen an derselben Position; unabhängig vom absoluten Fehler.
- Gute Wiederholgenauigkeit erlaubt mittels Softwarekorrektur hohe Positioniergenauigkeit, selbst bei mäßiger Absolutgenauigkeit.
3.2 Einflussfaktoren
- Mechanisches Spiel: Lücken in Getriebe, Kupplungen, Kugelspindeln.
- Signalrauschen: Instabile Schaltschwellen.
- Umwelteinflüsse: Temperatur, elektromagnetische Störungen, Vibration.
3.3 Verbesserung
- Optimierung der Antriebskette, hochwertige Kupplungen, genaue Achsanpassung.
- Mehrfachabtastung und Mittelwertbildung bzw. Filterung.
- Minimierung von Vibration und Störquellen.
4. Maximale Geschwindigkeit & Frequenzgang (Max Speed & Frequency Response)
4.1 Maximale Dreh-/Verschiebegeschwindigkeit
- Drehencoder: in RPM (Revolutions Per Minute), z. B. 6000 RPM.
- Lineare Encoder: in m/s oder mm/s.
- Überschreitung führt zu Pulsverlust oder Signalverzerrung.
4.2 Frequenzgang
- Fähigkeit, bei steigender Geschwindigkeit vollständige Signalwellenformen und korrekte Zählungen zu liefern.
- Inkrementalpulsfrequenz = RPM × PPR / 60.
- Absolutencoder abhängig von serieller Datenrate bzw. Abtastfrequenz.
4.3 Hinweise
- Controller muss schnelle Zähler und serielle Auswertung unterstützen.
- Kabel und Empfangsschaltung müssen für die erforderliche Bandbreite geeignet sein.
5. Versorgungsspannung & Stromaufnahme (Supply Voltage & Power Consumption)
5.1 Spannungsbereich
- TTL-Encoder: 5 V DC. HTL-Encoder: 10–30 V DC. Einige High‑End-Modelle: 4,5–30 V.
- Industrial-Ethernet-Encoder oft kompatibel zu 24 V.
5.2 Stromaufnahme
- Optische Encoder benötigen LED/Leuchtdioden, dadurch höherer Verbrauch.
- Magnetische und kapazitive Encoder verbrauchen wenig, können bei Kälte jedoch Vorheizung erfordern.
- Hohe Drehzahlen und Auflösungen erhöhen interne Rechen- und Treiberleistung.
5.3 Stabilität
- Spannungsrippel oder kurzzeitige Abfälle können Reset oder Pulsverlust auslösen.
- Bei Multi‑Achsen-Systemen auf Leitungsquerschnitt und Spannungsabfall achten.
6. Ausgangsformen & Signalpegel (Output Types & Signal Levels)
6.1 Inkrementalausgang
- A/B/Z Rechteck: TTL, HTL oder RS422.
- Sinusausgang (1 Vpp): Hohe Präzision, mit Interpolation höhere Auflösung.
6.2 Absolutausgang
- Parallel: Mehrere Bits (Gray‑Code, Binär).
- Seriell: SSI, BiSS, EnDat – weniger Leitungen, höhere Störsicherheit.
- Feldbus/Ethernet: CANopen, Profibus, EtherCAT, Profinet.
6.3 Analogausgang
- Spannung (0–5 V, 0–10 V) oder Strom (4–20 mA).
- Empfindlich gegenüber Spannungsrippel und Leitungsimpedanz.
7. Schutzart (IP Rating)
7.1 IP-Normen
- IP65: Staubdicht, Strahlwasser geschützt.
- IP67: Kurzzeitiges Untertauchen.
- IP68: Dauerhaftes Unterwasser-Betrieb.
7.2 Auswahl
- Außenanlagen, Lebensmittelindustrie, Spritzwasser- oder staubige Umgebungen erfordern hohe IP‑Klassen.
- Höhere Schutzart = höhere Kosten; Kühlung und Lagerreibung berücksichtigen.
8. Lagerlast & mechanische Lebensdauer (Bearing Load & Mechanical Life)
8.1 Lagerarten & Lasten
- Präzisions-Kugel- oder Axialkugellager.
- Radiallast: Senkrecht zur Achse; Axiallast: Entlang der Achse.
8.2 Lebensdauer & Wartung
- Hohe Drehzahlen, Lasten oder extreme Temperaturen verkürzen Lagerlebensdauer.
- Keramiklager oder spezielle Schmierstoffe erhöhen Haltbarkeit.
8.3 Montagehinweise
- Flexible Kupplungen oder externe Stützen verteilen Radiallast.
- Achsanpassung sicherstellen, um Überlastung und Wackeln zu vermeiden.
9. Umweltparameter (Environment Parameters)
9.1 Temperaturbereich
- Betriebstemperatur: –20 °C bis +85 °C für garantierte Präzision.
- Lagertemperatur: Größerer Bereich, aber Vermeidung von Optik‑ und Schmiermittelschäden.
9.2 Feuchte, Tau & Korrosion
- Abdichtung und Rostschutz bei hoher Luftfeuchte oder Kondensation.
- Bei aggressiven Medien (Säure, Lauge, Salznebel) Edelstahl- oder korrosionsbeständige Beschichtung.
9.3 Vibration & Stoß
- Max. Werte in g oder m/s². Stark vibrierende Maschinen erreichen höhere Spezifikationen.
- Schwingungsdämpfende Gummipads oder Montagesätze verbessern Stoßfestigkeit.
9.4 EMC/ESD-Schutz
- Geschirmte Leitungen und robustes Erdungskonzept.
- ESD-Schutzmaßnahmen (Erdungsringe, TVS-Dioden).
10. Funktionale Sicherheit & Redundanz (Functional Safety & Redundancy)
10.1 Sicherheitsintegritätslevel (SIL / PL)
- SIL nach IEC 61508/62061, PL nach ISO 13849.
- Für AGV, Aufzüge, Cobots empfiehlt sich SIL2/SIL3-zertifizierte Encoder.
10.2 Redundante Konzepte
- Duale Leseköpfe/kanäle: Datenabgleich, automatische Backup‑Umschaltung.
- Minimiert Ausfallrisiko bei Sensorfehlern.
10.3 Selbsttest
- Überwachung von Lichtquelle, Magnetfeld, Temperatur.
- Sicherheitsabschaltung oder Drehzahlreduktion bei Fehlern.
11. Linearitätsfehler & Kalibrierung (Linearity & Calibration)
11.1 Fehlerquellen
- Ungleichmäßige Musterteilung auf Code‑Wheel oder Magnetscheibe.
- Spalt- oder Winkeltoleranzen zwischen Lesekopf und Maßstab.
11.2 Kalibrierung & Kompensation
- Hochpräzise Anwendungen nutzen Laserinterferometer zur Fehlerkurvenerstellung.
- Einige Encoder speichern Korrekturtabellen intern und kompensieren automatisch.
11.3 Teilbereichskalibrierung
- Bei begrenzter Bewegungsstrecke kann dieser Bereich gezielt kalibriert werden.
- In Kombination mit guter Wiederholgenauigkeit extrem hohe Positioniergenauigkeit möglich.
12. Gesamtauswahl & Integrationsempfehlungen
12.1 Anwendungsanforderungen
- Bewegungsart: Dreh- vs. Linear, Geschwindigkeitsbereich, Beschleunigung.
- Systemgenauigkeit: Auflösung, Absolutgenauigkeit, Wiederholpräzision.
- Umgebungsbedingungen: IP‑Schutz, Temperatur, Staub/Feuchte, Vibration.
12.2 Mechanische & elektrische Schnittstellen
- Achsdurchmesser, Flanschtyp, Lagerlast auf Kompatibilität prüfen.
- Versorgungsspannung, Signalpegel, Kommunikationsprotokoll mit Steuerung abstimmen.
- Kabellänge, Spannungsabfall und Signaldämpfung antizipieren; geschirmte oder verdrillte Paarleitung einsetzen.
12.3 Montage, Inbetriebnahme & Wartung
- Konzentrizitätsprüfung, Vermeidung starker Radial-/Axialkräfte.
- Flexible Kupplung für geringe Exzentrizität.
- Regelmäßige Inspektion von Gehäusedichtungen, Staubringen und Kabelverbindungen.
13. Fazit
Ein tiefes Verständnis der Schlüsselparameter bei der Encoder-Auswahl steigert Effizienz und Sicherheit industrieller Automatisierungssysteme. Wesentliche Kennzahlen sind:
- Auflösung, Genauigkeit, Wiederholgenauigkeit: Bestimmen die Präzision und Glätte der Bewegungssteuerung
- Maximale Geschwindigkeit & Frequenzgang: Verhindert Pulsverluste bei hohen Drehzahlen
- Schutzart & Lagerlast: Gewährleistet Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen
- Elektrische Kompatibilität & Schnittstellen: Sichert reibungslose Integration mit Antrieben, PLCs und Netzwerken
- Funktionale Sicherheit & Redundanz: Erfüllt Anforderungen sicherheitsrelevanter Anwendungen
Durch Beherrschung dieser Parameter und deren Teststandards lassen sich fundierte Entscheidungen bei Auswahl, Integration und Wartung von Encodern treffen und so höchste Effizienz sowie Sicherheit erreichen.