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Lineare Encoder
Lineare Encoder dienen dazu, lineare Verschiebungen in elektrische Signale (digital oder analog) umzuwandeln. Sie messen direkt die lineare Bewegung von Tischen, Schlitten oder Werkstücken und sind zentrale Positionssensoren in CNC-Werkzeugmaschinen, Koordinatenmessmaschinen (CMM), Halbleiteranlagen und High-End-Automatisierungsplattformen. Im Vergleich zur indirekten Berechnung über Kugelgewindetriebe oder Zahnstangen bieten lineare Encoder eine „direkte Messung“, wodurch der Einfluss von thermischer Ausdehnung, Umkehrspiel und Übertragungsfehlern deutlich reduziert wird.
Was ist ein linearer Encoder (What is a Linear Encoder)
Ein linearer Encoder besteht aus einer Maßverkörperung (Scale/Rule) und einem Lesekopf (Readhead): Die Maßverkörperung enthält periodische Strukturen (optische Gitter, magnetische Teilungen, induktive oder kapazitive Muster), während der Lesekopf in einem definierten Abstand darüber geführt wird, die Positionsinformationen ausliest und elektrische Signale ausgibt.
Nach Ausgangsart unterscheidet man inkrementale und absolute Encoder; nach Messprinzipien optische, magnetische, induktive, kapazitive; nach Bauform offene (open-type) oder gekapselte (enclosed/sealed) Encoder.
Funktionsprinzip (Working Principle)
Optisch (Optical)
- Struktur: Glas-/Keramikmaßstab (oder Edelstahlband) + LED-/Laserlichtquelle + Photodetektorarray.
- Mechanismus: Interferenz (Transmission/Reflexion) oder Moiré-Muster, die vom Lesekopf demoduliert und interpoliert werden.
- Eigenschaften: Sehr hohe Auflösung (nm-Bereich), lineare Fehler bis ±1 μm/m; empfindlich gegenüber Verschmutzung und Kondensation.
Magnetisch (Magnetic)
- Struktur: Magnetband mit festem Polabstand (Stahlband oder flexibles Magnetband) + Hall-/AMR-/GMR-/TMR-Sensorarray.
- Mechanismus: Der Lesekopf detektiert magnetische Feldverläufe während der Bewegung und berechnet daraus die Position.
- Eigenschaften: Beständig gegen Öl und Vibrationen, große Montagetoleranzen, Messlängen bis mehrere Dutzend Meter; geringere Auflösung und Genauigkeit als High-End-Optik.
Induktiv (Inductive)
- Struktur: Erregungs- und Empfangsspulen im Lesekopf; Maßstab mit leitfähigem Muster oder Metallelement.
- Mechanismus: Kopplungs- und Wirbelstromeffekte ändern sich mit Luftspalt und Position; Phasen- oder Amplitudendemodulation liefert die Verschiebung.
- Eigenschaften: Unempfindlich gegenüber Verschmutzung, hohe Temperaturbeständigkeit, hohe EMV-Festigkeit; Genauigkeit zwischen optisch und magnetisch.
Kapazitiv (Capacitive)
- Struktur: Elektrodenmatrix + Maßstab mit periodischem Muster.
- Mechanismus: Kapazitätsänderungen mit der Position; der Lesekopf nutzt Phasenregelung/Dekodierung zur Positionsbestimmung.
- Eigenschaften: Kompakt, niedrige Leistungsaufnahme; empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Metalleinfluss, benötigt gute Schirmung und Erdung.
Typen und Bauformen (Types & Constructions)
1) Nach Ausgangssignal
- Inkremental (Incremental): Gibt A/B-Impulse in Quadratur (optional mit Z/Referenzimpuls) aus; der Regler zählt die Impulse. Zusätzlich 1 Vpp Sinus/Cosinus für hochauflösende Interpolation möglich.
- Absolut (Absolute): Gibt an jeder Position einen eindeutigen Code aus; mit Einzelspur oder distance-coded reference marks; gebräuchliche Protokolle: SSI, BiSS-C, EnDat.
2) Nach Kapselung und Schutz
- Offen (Open-type): Lesekopf frei zugänglich, hohe Dynamik, geringe Reibung; geeignet für saubere Umgebungen.
- Gekapselt (Sealed/Enclosed): Maßstab und Lesekopf in geschlossener Einheit, mit Abstreifern/Luftbarrieren; ideal für Werkzeugmaschinen und verschmutzte Umgebungen.
3) Nach Maßstabsmaterial
- Glas-/Keramikgitter: Geringe Wärmeausdehnung (CTE), Präzision im Bereich µm/m; benötigt stabile Auflage und Temperaturkontrolle.
- Stahl-/Edelstahlband: Lange Messwege, flexibel; höhere CTE, erfordert Kompensation.
- Magnetband (selbstklebend oder Schienenmontage): Einfache Installation, unempfindlich gegen Schmutz; geringere Linearität als High-End-Optik.
- Induktive/kapazitive Muster: Sehr robust, hohe Umgebungsbeständigkeit.
Ausgänge und Schnittstellen (Outputs & Interfaces)
Kategorie | Ausgangssignal | Typische Anwendung |
---|---|---|
Inkrementales Rechteck | A/B (+Z), TTL/HTL, RS422 | Schnelle Zähler (PLC), Geschwindigkeits-/Positionsregelung |
Sinus/Cosinus | 1 Vpp, 11 μApp | Hochauflösende Interpolation (×4 bis >10.000) |
Absolut | SSI, BiSS-C, EnDat 2.2 | Absolute Position, Diagnose, Temperatur-/Statusdaten |
Feldbus/Ethernet | CANopen, EtherCAT, PROFINET | Mehrachs-Synchronisierung, große Distanzen, Online-Diagnose |
Maximale Ausgangsfrequenz im Verhältnis zur Geschwindigkeit (inkremental):
f_max ≈ (V / Pitch) × Edges_per_cycle
- V: Vorschubgeschwindigkeit (mm/s)
- Pitch: Teilungsabstand (mm/Zyklus)
- Edges_per_cycle: Flanken pro Zyklus (z. B. ×4)
Wichtige Spezifikationen (Key Specifications)
Spezifikation | Bedeutung/Bereich | Hinweis |
---|---|---|
Auflösung (Resolution) | 5 μm → 0.1 μm (magnetisch/Stahl); 1 μm → 1 nm (optisch/interferometrisch) | Abhängig von Interpolationsfaktor |
Genauigkeit (Accuracy) | ±3 ~ ±10 μm/m (magnetisch); ±1 ~ ±3 μm/m (High-End-Optik) | Angegeben in μm/m oder ppm |
Wiederholgenauigkeit (Repeatability) | < ±0.1 ~ ±0.5 μm (optisch High-End) | Beeinflusst durch Umwelt/Montage |
Interpolationsfehler (SDE) | ±20 ~ ±80 nm (hochwertige 1 Vpp-Systeme) | Periodischer Fehler durch Interpolation |
Jitter/Rauschen (Jitter/Noise) | Dutzende nm | Abhängig von Elektronik und Versorgung |
Referenzmarken | Einzelpunkt, distance-coded, bidirektional | Für Referenzierung/Homing |
Messlänge (Measuring Length) | 0.1 m → über 30 m | Lange Längen benötigen Kompensation |
Montagespalt (Ride Height) | 0.1 ~ 1.0 mm | Beinhaltet Pitch-/Roll-/Yaw-Toleranzen |
CTE | Glas/Keramik: ~0.5–2 ppm/K; Stahl: ~10–17 ppm/K | Bestimmt Thermokompensation |
Schutzart | IP40 (offen) → IP67 (gekapselt) | Auswahl je nach Kühlschmiermittel/Staub |
Installation und geometrische Fehler (Installation & Geometric Errors)
- Spalt- und Winkeltoleranzen: Abstände und Winkel (Pitch/Roll/Yaw) kritisch; Überschreitungen führen zu Signalverlust und höherem SDE.
- Abbe-Fehler (Abbe Error): Abstand zwischen Messlinie und Bewegungsachse × Winkelfehler → Positionsabweichung. Lösung: Messlinie durch Achse führen oder kompensieren.
- Kosinusfehler (Cosine Error): Achse des Encoders nicht parallel zur Bewegung → Projektionsfehler.
- Thermische Kopplung und Befestigung: Stahl-/Magnetbänder schwimmend montieren, um Spannungen zu vermeiden; Glas-/Keramikmaßstäbe mit isothermer Unterstützung.
- Erdung und Abschirmung: Einpunkt-Erdung, Kabelschirmung korrekt auflegen, um Schleifen und Störeinstrahlungen zu vermeiden.
Kalibrierung und Kompensation (Calibration & Compensation)
- Linearkompensation: Mithilfe von Laserinterferometern, Ballbar oder Endmaßen Fehlerkarten erstellen (Pitch/Roll/Yaw & Geradheit/Flachheit).
- Thermokompensation: Korrektur basierend auf CTE und Temperaturverteilung; High-End-Systeme nutzen Sensordaten der Testina.
- SDE-Reduzierung: Hochwertige 1 Vpp-Signale, optimierte Elektronik und Algorithmen; stabiler Spalt und Ausrichtung.
- Referenzstrategien: Distance-coded Marken verkürzen Referenzfahrt; bidirektionale Marken verbessern Wiederholgenauigkeit.
Vergleich mit anderen Technologien (Comparisons)
Technologie | Vorteile | Einschränkungen | Typische Anwendungen |
---|---|---|---|
Linearer Encoder (optisch) | Nanometer-Auflösung, μm/m-Genauigkeit, hohe Dynamik | Empfindlich gegenüber Schmutz/Kondensat, hohe Montageanforderungen | CNC, CMM, Halbleiter |
Linearer Encoder (magnetisch) | Unempfindlich, große Toleranzen, lange Wege | Geringere Genauigkeit/Auflösung | Automatisierung, Schwerindustrie |
Laserinterferometer | Höchste Präzision, rückführbar | Hohe Kosten, empfindlich gegenüber Umgebung | Kalibrierung, Metrologie |
LVDT/Wirbelstrom | Robust, gute Wiederholbarkeit bei kurzen Wegen | Begrenzte Länge, eingeschränkte Linearität | Endlagen, kurze Stellwege |
Rotationsencoder + Spindel | Kostengünstig, etablierte Technik | Fehler durch Ausdehnung, Spiel, Spindelsteigung | Mittel-/Niedrigpräzision |
Anwendungsbereiche (Applications)
- Lineare Achsen von CNC-Maschinen (X/Y/Z): Hohe Positioniergenauigkeit trotz thermischer Lasten.
- CMM/Messtische: Nanometer-Interpolation + Fehlerkarten sichern Rückführbarkeit.
- Halbleiteranlagen: Lithografie, Alignment, Inspektion; niedriger Jitter und SDE notwendig.
- High-End Druck/Verpackung/Bestückung: Lange Wege, hohe Geschwindigkeit, präzise Synchronisation.
- Medizintechnik: CT-/MRT-Tische, Strahlentherapiepositionierung.
- Logistik/Schwermaschinen: Magnetband für lange Strecken, hohe Umweltfestigkeit.
Wartung und Fehlersuche (Maintenance & Troubleshooting)
Regelmäßige Wartung
- Reinigung (optisch: fusselfreies Tuch + Isopropanol; magnetisch: Metallspäne entfernen).
- Kabelbiegeradien und Befestigungen prüfen, Kabelbrüche/Schirmungsschäden vermeiden.
- Umgebung (Temperatur, Feuchtigkeit, Kühlschmiermittel) überwachen, Kondensation verhindern.
Häufige Probleme
Symptom | Mögliche Ursache | Lösung |
---|---|---|
Signalverlust/Impulsausfall | Überschrittener Spalt, Fehlwinkel, Verschmutzung | Abstand/Ausrichtung justieren, Maßstab reinigen, Montage prüfen |
Jitter/hoher SDE | Rauschen, schlechte Erdung | Bessere Schirmung/Erdung, hochwertige Kabel/Versorgung |
Hoher Linearfehler | Montagefehler, fehlende Thermokompensation | Schwimmende Befestigung, Kalibrierung mit Fehlerkarte |
Keine Absolutkommunikation | Falsche SSI/BiSS/EnDat-Parameter | Timing, Polarität, CRC und Kabelimpedanz prüfen |
Instabile Referenzmarke | Verschmutzt oder falsch konfiguriert | Reinigung, Strategie/Parameter anpassen |
Normen und Referenzen (Standards & References)
- IEC 60529:2020 (IP-Schutzarten)
- IEC 60068-2 (Vibration, Schock, Klima, Salzsprühnebel)
- IEC 61000-6-2/-6-4 (EMV Industrie: Störfestigkeit/Emission)
- ISO 230-2 / ISO 230-3 (Genauigkeit & thermische Eigenschaften von Werkzeugmaschinen)
- ISO 10360 (CMM-Prüfung & Verifikation)
- ISO 14644 (Reinräume, relevant für Halbleiter/Metrologie)
Hinweis: Gültigkeit je nach Anwendung und Branche prüfen, Herstellerangaben beachten.
Auswahlhilfe (Selection Guide)
- Genauigkeitsziel: Positionier-/Wiederholgenauigkeit und zulässige lineare Abweichung (μm/m) definieren.
- Messprinzip: Saubere/hochpräzise Umgebungen → optisch; öl-/vibrationsbelastete/lange Wege → magnetisch oder induktiv.
- Ausgänge/Schnittstellen: Inkremental für Geschwindigkeitsregelung; SSI/BiSS/EnDat oder EtherCAT für hochpräzise, synchronisierte Achsen.
- Mechanik/Montage: Messlänge, Maßstabsmaterial, CTE, Toleranzen, Befestigungsmethode (schwimmend/geklemmt/kleben) prüfen.
- Umwelt/Schutz: Kühlschmiermittel/Staub/Thermoschwankungen → gekapselte Systeme mit passender IP; Luftbarriere/Abstreifer einplanen.
- Kompensation/Diagnose: Unterstützt Fehlerkarten, Temperatur-/Statusüberwachung, Diagnose/Alarme?
- Lebenszyklus: Austauschbarkeit von Kabeln/Leseköpfen, Ersatzteilverfügbarkeit, Kalibrier- und Servicekonzepte.
Durch Verständnis der Prinzipien, Strukturen und Montageanforderungen von linearen Encodern, kombiniert mit Fehlermodellierung, Thermokompensation und standardisierter Verifizierung, können Ingenieurteams auch in komplexen Umgebungen hohe Präzision, lange Lebensdauer und Diagnosefähigkeit sicherstellen.